Franz Ferdinand – The Human Fear (2025)
- Michael Scharsig
- 12. Jan.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 13. Jan.
Am 10. Januar 2025 haben Franz Ferdinand The Human Fear veröffentlicht und behandeln darauf das zentrale Thema der Angst und wie man mit ihr umgeht. Jeder der elf Songs thematisiert eine spezifische Angst, auch wenn das Album ursprünglich gar nicht als Konzeptalbum geplant war. Es ist übrigens auch bei weitem nicht so düster und negativ, wie man vielleicht denken mag. Dafür sind Franz Ferdinand einfach immer noch zu sehr Franz Ferdinand.

Denn, wenn ich an dieser Stelle schon einmal vorweggreifen darf: die fünf bleiben ihrem charakteristischen Sound treu. ABER: sie probieren hier und dort auch mal neue Pfade aus und allein dafür lohnt sich The Human Fear schon. Die Kombination aus ernsthaften Themen und tanzbaren Melodien macht es auf jeden Fall auch leicht für Neueinsteiger, die Band zu „verstehen“. Auf meiner Suche nach dem versnobbten Post-Punk der 00er-Jahre bin ich allerdings nur teilweise erfolgreich gewesen.
Gleich zu Beginn schaffen es die Schotten mich erst einmal wieder in die 00er Jahre zu transportieren. Ich sage bewusst nicht „katapultieren“, denn auch wenn Audacious mich mit schwingenden Riffs wie zur besten Zeit von Franz Ferdinand anfüttert, bleibt der große Klimax aus. Zwar besitzt der Opener einen eingängigen Refrain und gibt mir atmosphärisch Vibes wie auf You Could Have It So Much Better – doch am Ende können Piano und Ska-Punk-Elemente die Bremse nicht kaschieren, auf die hier immer wieder getreten wird. Everydaydreamer verspricht da beispielsweise weniger und punktet wahrscheinlich genau deshalb. Die Keane-artigen Keyboard-Spielereien und die unaufgeregte Produktion machen Song Nr. 2 auf jeden Fall homogener als seinen Vorgänger.
Die Mitte ist der „Sexy Back“ des Albums
Spätestens beim unterhaltsamen The Doctor bin ich dann voll im Album angekommen. Klingt Alex Kapranos dort zu Beginn noch wie eine 80er Jeckyl und Hyde-Version von Dave Gahan, geht es recht schnell dynamisch und energiegeladen weiter. Ein bisschen wie Neue Deutsche Welle oder Liquido und live sicherlich ein Hüftschwinger. In Hooked bringen Franz Ferdinand dann Sexy Back. Der elektronische Timbaland-ähnliche Ansatz, der mich auch an Royal Bloods Typhoons erinnert, steht dem Soundbild der Band gut zu Gesicht. Bedenkt man, dass Kapranos hier sehr viel mit der Stimme spielt und der Text des Songs eher ernsterer Natur ist, funktioniert der Track sogar auf satirischer Ebene.
Build It Up schunkelt sich durch die Tanzfläche und hätte gut auf eines der ersten Alben gepasst. Night Or Day lässt seinen Vorgänger aber schnell vergessen und kombiniert als Elton John des Albums kraftvolle Rhythmen mit melodisch reichen Klavier- und Synthesizerklängen. „Life is never going to be easy / but if you're living it with me / we're gonna live it up night or day“ – auch hier schwingt die Positivität in Ängsten mit. Generell nutze ich das Wort Schwung sehr oft in dieser Review. Für mich, als Fan von Matthew Bellamy und Muse, ist Tell Me If Should Stay dann die nächste Überraschung. Gefühlvoll wird hier von einer melancholischen Klavierballade in eine frohlaunige Beach Boys-Nummer geführt und das passt erstaunlich gut zusammen.

Safety First: viel Nostalgie auf Nummer sicher
Wer The Dark of the Matinee so mag wie ich, der wird dann auch mit Cats etwas anfangen können. Generell fällt einmal mehr auf, wie sehr die Band auf diesem Album zwischen alten Stilmitteln und neuen Experimenten springt. Beispiel hier wäre der leichte Western-Touch in Stimme und Gitarre. In Black Eyelashes holt Kapranos dann seine Erfahrung als Kind eines griechischen Einwanderers und das Gefühl, zwischen zwei Kulturen zu stehen, hervor. Die Sirtaki-ähnlichen, griechischen Folklore-Parts dürften von Pub bis Konzert super funktionieren. Bar Lonely mangelt’s dann anschließend an eben dieser Kreativität. Trinken gegen Einsamkeit als Inhalt und ein bisschen „Babapapaaaa“-Chöre zu seichtem Indie-Rock, das reicht nicht.
In The Birds holen die Fünf dann noch einmal ihre ikonischen Gitarrenklänge raus. Das dürfte eingefleischte Fans freuen. Allerdings ist der Song alles andere als ein Ohrwurm. Wie bei Franz Ferdinand üblich ist ein großes Plus der Musik noch immer die charismatische Stimme von Kapranos. Ohne diese wäre der letzte Song – und ehrlicherweise auch ein paar Lückenfüller anderer Alben – nur halb so spannend.
Fazit: ⭐⭐⭐⭐/ 5
Franz Ferdinand gehören zu den Bands, die meinen Musikgeschmack über lange Zeit maßgeblich mitgeprägt haben. Ich werde akzeptieren müssen, dass sie vermutlich nie wieder Bretter wie Take Me Out oder Do You Want To schreiben werden. Ihre thematische Tiefe und die musikalische Verspieltheit nimmt ihnen aber niemand. The Human Fear ist eigentlich schon viel von dem, was ich will. Eine gelungene Mischung aus alten Stärken und neuen Einflüssen. Indie-Rock, Post-Punk, New Wave und Disco – dazu ganz viel Claps und Club-Chöre zum Mitsingen. Erster Eindruck: mein drittliebstes Album von mittlerweile zehn Stück.










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