top of page
Test II.webp

Coheed and Cambria - Vaxis Act III: The Father of Make Believe (2025)

  • Autorenbild: Michael Scharsig
    Michael Scharsig
  • 13. März
  • 4 Min. Lesezeit

Es ist fast 20 Jahre her, dass ich Coheed and Cambria zum ersten und einzigen Mal live gesehen habe – 2008 bei Rock am Ring, irgendwo zwischen Dunstwolken und durchnässtem Zeltplatz. Und ehrlich gesagt: Danach habe ich die Band ein bisschen aus den Augen verloren. Zu verkopft klangen mir damals die Konzepte, zu verkünstelt die Mischung aus Prog, Emo und Metal. Vielleicht war ich einfach noch nicht bereit. Vielleicht fehlte mir der Zugang zur epischen Comic-Saga The Amory Wars, die seit jeher als Herzstück der Musik dient. Vielleicht auch beides.


Pressefoto der Band Coheed and Cambria

Umso überraschter war ich, als ich mich in Vaxis – Act III: The Father of Make Believe wiederfand – dem mittlerweile elften Studioalbum der Band, das am 14. März 2025 erschienen ist. Der dritte Teil der aktuellen Pentalogie liefert alles, was Fans von Coheed erwarten – und öffnet dabei ein Fenster in eine neue Welt: persönlicher, zugänglicher, aber trotzdem kompromisslos kreativ.


Zwischen Sternenkrieg und Pop-Refrains


Yesterday’s Lost eröffnet das Album ruhig, fast zaghaft – mit melancholischen Tönen, sanftem Aufbau und dieser typischen Sanchez-Stimme, die sofort emotional greifbar macht, worum es in diesem Kapitel geht: Verlust, Erinnerung, Identität. Goodbye, Sunshine legt direkt nach – hymnisch, mit einem Refrain, der sich in die Gehörgänge fräst und vermutlich schon bald zu den Live-Fanfavoriten gehören wird. Hier zeigt sich, wie gut die Band Melodik und Power unter einen Hut bekommt.


Richtig gepackt hat mich Searching for Tomorrow, nicht nur wegen des verspielt-dynamischen Gitarrenspiels, sondern vor allem, weil sich der Song traut, Hoffnung zu formulieren – ohne in Kitsch zu kippen. Und dann kommt er, der Titeltrack The Father of Make Believe: ein Mini-Epos mit proggiger Struktur, emotionaler Tiefe und einem Riff, das sich irgendwo zwischen Year of the Black Rainbow und Good Apollo einpendelt. Man merkt, wie persönlich dieser Song für Sanchez ist – als Schöpfer einer Welt, die größer ist als er selbst. Und doch spürt man hier seine eigene Zerrissenheit. Segen und Fluch, Schöpfermacht und Zweifel – alles drin.


Merì of Merci überrascht mit piano-getragener Zartheit. Und wieder so ein Moment, in dem ich denke: „Huch, das klingt ja fast pop-punkig.“ Vielleicht kein Zufall, denn der Song greift auf frühere Themen zurück, klingt aber fast wie eine Hommage an Emo-Vorbilder wie Jimmy Eat World. Danach reißt Blind Side Sonny das Ruder rum – aggressiv, thrashig, mit D’n’B-Break und einem Chorus, der spöttisch alles in Frage stellt. Als würden die White Stripes auf Speed ein Foo Fighters-Cover zocken. Wild, roh, genial.


Play the Poet ist für mich einer der widersprüchlichsten Tracks: Ich liebe den Drive, die Screams, das Nu-Metal-Flair, das an die 2000er erinnert – aber die Produktion ist mir fast zu überladen. So viel passiert gleichzeitig, dass ich Mühe habe, alles zu greifen. Dafür kommt One Last Miracle wie gerufen: klassischer Rock-Song, emotional aufgeladen, mit einem Refrain, der auf der Bühne garantiert für Gänsehaut sorgen wird.


Foto eines Auftritts der Band Coheed and Cambria

Ruhiger wird’s mit Corner My Confidence – akustisch, zweistimmig, zurückgenommen. Genau so ein Track, den man inmitten all der bombastischen Ideen braucht, um kurz durchzuatmen. Ich mochte besonders die Intimität des Songs – man hört förmlich die Holzbohlen unter den Füßen knarzen, während irgendwo draußen das Meer rauscht. Vielleicht, weil er auf der „Coheed Cruise“ entstand.


Someone Who Can klingt im ersten Moment wie der typische "Vorab-Single-Track" – radiotauglich, polished, tanzbar. Aber im Kontext des Albums entfaltet sich eine unerwartete Tiefe. Ich musste an The Killers denken, an Mando Diao – nur mit mehr Anspruch, mehr Progressivität. Dass Coheed auch „Hits“ schreiben können, zeigt sich hier besonders deutlich.


The Continuum: Ein Finale in vier Akten

Und dann kommt The Continuum I–IV – die vierteilige Schlusssequenz, das progressive Herzstück, der emotionale Abschied. Part I: Welcome to Forever, Mr. Nobody steigt mit komplexer Instrumentierung ein, Groove trifft Wahnsinn, Gitarre trifft Halluzination. Ich liebe, wie frei sich die Musik hier bewegt – fast wie eine Jam-Session im All. Part II: The Flood ist dramatisch, opulent, mit diesem Wechselspiel aus Ruhe und Chaos, das für Coheed typisch ist. In Tethered Together bricht dann ein uplifting Hook durch die Soundwand – eingängig, fast poppig, aber nicht banal. Und Part IV: So It Goes ist der wohl schönste Abschluss, den dieses Album haben könnte: barocke Pop-Elemente, cineastischer Aufbau, eine Leichtigkeit, die an große Sci-Fi-Scores erinnert. Wenn Star Wars ein Gitarrensolo hätte – es würde hier erklingen.

Fazit: ⭐⭐⭐⭐ / 5 Ich bin ehrlich: Ich hätte nicht gedacht, dass mich ein neues Coheed-and-Cambria-Album so abholen würde. Vielleicht lag’s an der langen Pause. Vielleicht daran, dass ich keinen Ballast aus der Diskografie mitgebracht habe. Was ich hier gefunden habe, ist ein Werk voller Kontraste – zwischen Konzept und Gefühl, zwischen Chaos und Klarheit, zwischen Bombast und Intimität. The Father of Make Believe ist nicht einfach nur der dritte Teil einer Rockoper – es ist ein erstaunlich lebendiges Album, das Platz lässt für Mitsing-Refrains, Dance-Rhythmen, Screams und zarte Momente. Nicht alles zündet sofort. Nicht jede Hook bleibt hängen. Aber das hier ist Musik, die atmet, wächst und sich traut, Grenzen zu verschieben. Und das ist mehr, als man von vielen Bands im elften Albumjahr erwarten kann.


Commentaires


Beitrag: Blog2 Post
bottom of page