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Lady Gaga - Mayhem (2025)

  • Autorenbild: Michael Scharsig
    Michael Scharsig
  • 7. März
  • 3 Min. Lesezeit

Ganz ehrlich: The Fame war nie mein Album. Zu überdreht, zu grell, zu kalkuliert – dachte ich damals. Aber spätestens seit A Star Is Born hat Lady Gaga für mich ein neues Kapitel aufgeschlagen. Die schillernde Pose wich einer Künstlerin mit Tiefgang, einer Darstellerin mit Stimme und Präsenz, der ich seither jedes neue Projekt mit Neugier entgegenfiebere. Als dann Mayhem angekündigt wurde – das siebte Studioalbum, angeblich eine Rückkehr zum Pop – war mein Interesse sofort geweckt. Und was soll ich sagen? Ich wurde nicht enttäuscht.

Pressefoto zu Lady Gaga und ihrem Album "Mayhem"

Mayhem klingt wie eine neonfarbene Rückschau auf 40 Jahre Popgeschichte. Disco, Electropop, Funk, ein bisschen Glam, ein Hauch Goth, eine Prise Industrial – alles da. Produziert von Größen wie Andrew Watt, Cirkut und Gesaffelstein, entfaltet sich hier ein Album, das bewusst überdreht ist, aber nie in der eigenen Ästhetik ertrinkt. Der Opener Disease beginnt mit einer Wucht, die irgendwo zwischen Club-Hymne und Industrial-Attacke liegt. Vocals wie aus dem Bauch, ein Beat, der dröhnt – aber textlich eben doch wieder Gaga: Mehrdeutigkeit, Obsession, Sex, Ruhm. Ich fand ihn ehrlich gesagt in der Albumversion fast zu glatt, aber live (ja, ich habe die Antidote-Clips gesehen) wirkt der Song wie entfesselt.


Abracadabra dreht die Uhr zurück zu House-Elementen der 90er – inklusive clever eingesetztem Siouxsie and the Banshees-Sample. Der Refrain sitzt wie maßgeschneidert und zeigt Gaga in Höchstform: eingängig, verspielt, ein bisschen mystisch. Dann kommt Garden of Eden, für mich einer der stärksten Tracks – verzerrter Chorus, euphorischer Unterbau, ein Song, der wie ein Rave auf dunkler Leinwand wirkt.


Perfect Celebrity wiederum ist Gaga pur: Beißende Gesellschaftskritik, Gitarren, Basslines, Glam-Exzess. „Choke on the fame and hope it gets you high. Sit in the front row watch the princess die“ – das ist mehr als nur ein Reim, das ist eine Anklage. Und ein Reminder, warum man sie nie auf bloßen Pop reduzieren sollte. In Vanish Into You klingt dann David Bowie durch, ohne dass es zum Plagiat wird. Ich mag vor allem, wie Gaga hier ihre Disco-Vibes mit Glam-Rock zu etwas Eigenem verschmelzen lässt.


Foto einer Live-Performance von Lady Gaga

Lady Gaga ist Drama, Disco, Dystopie


Mit Killah tauchen wir tief in dunkle Gefilde. Gesaffelstein bringt kalte Elektronik, Gaga bringt Hitze. Die Vocals sind funky, lasziv, fast unverschämt gut. Der Track ist gleichzeitig cool und unbequem – wie ein Lächeln mit zu scharfen Zähnen. Ganz anders, aber nicht weniger spannend: Zombieboy. Anfangs dachte ich noch: Bitte nicht Hollaback Girl 2.0. Aber der Song zieht eine clevere Linie zwischen Tribute und Tanzbarkeit. Rick Genest hätte ihn vermutlich geliebt.


LoveDrug ist so ein Track, den ich objektiv vielleicht zu glatt finden müsste – aber ich liebe Synth-Hooks und poppige Gitarren einfach zu sehr. Und dieser Song hat beides. Dazu kommt ein 2000er-House-Feeling, das mich direkt in alte Clubnächte katapultiert.

Mit How Bad Do U Want Me liefert Gaga dann eine der stärksten Pop-Hooks des Albums ab. Depeche Mode trifft Yazoo trifft 2025 – alles passt, alles pulsiert. Und dann Don’t Call Tonight, ein Track, der funkig und europopig beginnt und sich mit Talkbox-Effekt und Aha-Anleihen langsam ins Ohr schlängelt. Hier kommt zum ersten Mal so etwas wie Melancholie auf – nicht kitschig, sondern clever verpackt.


Shadow of a Man ist mein persönlicher Überraschungsfavorit: tanzbar und trotzdem thematisch ernst, mit einem klar feministischen Statement, das niemals mit dem Zeigefinger daherkommt. Es ist dieser Balanceakt, der Mayhem so stark macht. Auch The Beast zeigt, dass Gaga Drama kann, ohne pathetisch zu sein. Gitarren, Pathos, Lust und Dunkelheit – hätte auch The Weeknd singen können, aber hier hat es mehr Wucht.


Blade of Grass kommt fast unscheinbar daher. Eine Ballade, reduziert auf das Wesentliche. Und vielleicht gerade deshalb so stark. Für mich der emotionale Höhepunkt des Albums – ein ruhiger, ehrlicher Moment mitten im Pop-Karneval. Und dann kommt er, der letzte Track: Die With A Smile. Gemeinsam mit Bruno Mars zaubert Gaga eine Soul-Ballade aus dem Ärmel, die so warm ist, dass man fast vergisst, wie viel Chaos das Album zuvor entfachte. Vielleicht passt der Song stilistisch nicht ganz zum Rest, aber das nehme ich ihm nicht übel – dafür ist er einfach zu gut und mein Song des Jahres 2024.

FAZIT: ⭐⭐⭐⭐ / 5


Mayhem ist genau das, was der Titel verspricht: ein kontrolliertes Chaos, ein glitzernder Tumult, ein Pop-Album voller Kontraste. Wer Gaga will, bekommt Drama. Wer Radio will, bekommt Radio Ga Ga. Und wer Tiefe will, muss vielleicht ein bisschen graben – wird aber fündig. Nicht jeder Song ist revolutionär, nicht jede Idee neu. Aber die Energie, der Wille zum Exzess, die Vocals, die Beats – das alles macht Mayhem zu einem der spannendsten Pop-Alben dieses Jahres. Und auch wenn ich die Emo-Ästhetik des Artworks etwas zu gewollt finde – musikalisch liefert Gaga genau das, was sie am besten kann: Kontrolle aufgeben und trotzdem alles im Griff haben.

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