der Filmtipp: Smile 2 - Siehst Du es auch? (2024)
- Michael Scharsig
- 18. Okt. 2024
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 17. Nov. 2024
Stell Dir vor, Du wirst von einem grauenhaften Wesen verfolgt, das alle um Dich herum lächeln lässt. Stell Dir vor Du lebst ein Leben, in dem Du ständig angelächelt wirst und ohnehin nie weißt, welches Lächeln davon echt ist.

Worum geht es?
Das weltweit beliebte Promi-Paar Skye Riley und Paul Hudson bauen unter Drogeneinfluss einen schweren Autounfall, bei dem der Schauspieler stirbt. Popstar Riley befindet sich nach einer kurzen Karriere-Pause zurück im Rampenlicht und mitten in einer PR-Kampagne rund um ihre Comeback-Tour. Während sie sich nach außen als geläutert präsentiert, kämpft sie privat mit Schuldgefühlen, neurotischen Aussetzern und: Phantomschmerzen. Diese zwingen sie zum Besuch ihres alten Dealers, der sich zu allem Übel vor ihren Augen das Leben nimmt. Lächelnd.
Warum denn so ernst?
Bevor ich näher auf den Inhalt des zweiten Teils eingehe, möchte ich noch einmal hervorheben, was mir am erfolgreichen Vorgänger so gut gefiel. Dieser war nämlich alles andere als perfekt. Seine Eröffnungsszene mit Caitlin Stasey gehört für mich trotzdem zu den ikonischsten Horror-Momenten, die das Genre in den vergangenen Jahren zu bieten hatte. Beinahe perfekt verkörpert die junge Australierin das Kernelement des Films: das kalte, furchteinflößend diabolische Lächeln. Zudem heben Kameramann Charlie Sarroff und Komponist Cristobal Tapia de Veer den Film mit ihrer auf Minimalismus ausgerichteten Arbeit ab vom Durchschnitt.
Smile 2 setzt nicht nur die Geschichte des ersten Teils nahtlos fort, sondern übernimmt auch nahtlos die Stärken seines Vorgängers. Der Soundtrack und die Kameraführungen bleiben ein großes Plus. Wo andere Sequels jedoch scheitern, intensiviert Regisseur Finn Parker die Horrorelemente und nutzt das Setting der Musikindustrie geschickt aus. Eine atmosphärisch dichte Paranoia, die durch effektive visuelle Kontraste und wohlplatzierte Schockmomente verstärkt wird. Das alles wirkt hochwertiger als zuvor, kann aber auch als Bindeglied zwischen Glamour und Mental Issues verstanden werden.
„Mein Kopf ist ein abgefuckter Ort“
Spätestens nach der ersten Hälfte des Vorgängers wird klar: das Smile-Franchise bedient zwei Felder. Auf den ersten Blick bekommen die ZuschauerInnen eine Art Okkult-Horror serviert, der auf den zweiten Blick aber auch als Showcase für das psychische Leiden unter Traumata fungiert. Nicht nur, weil sich die von dem Meta-Wesen „Befallenen“ vor den Augen der nächsten Wirte umbringen, sondern auch, weil wir eben von diesen Wirten lernen, dass sie mit traumatischen Ereignissen aus ihrer Vergangenheit zu kämpfen haben. In Teil 1 war das die von Sosie Bacon gespielte Psychologin Dr. Rose Cotter, im zweiten Teil übernimmt diesen Part Naomi Scott als Skye Riley.
Dabei greift der zweite Film zusätzlich Themen wie toxische Fankultur und die Schattenseiten des Showbusiness auf, was der Geschichte wie im Intro beschrieben zusätzliche Tiefe und Gesellschaftskritik verleiht. Immer wieder springt Smile 2 zudem zwischen Satire, Hochglanz-Optik und sehr dezent eingesetzten Jump Scares sowie gewohnt harten Gewalt-Elementen. Das alles zusammen funktioniert aber erstaunlich gut. Als Zuschauer wartest Du nicht nur auf den nächsten Schock. Du schmunzelst, Du staunst und Du rätselst. Dabei ist vor allem Kontrolle über sich selbst ein spannender Aspekt, der sowohl satirisch als auch ernsthaft aufgegriffen wird. Was ich außerdem an Smile 2 liebe:

Es ist kein Zufall, dass in einer der Nebenrollen Ray Nicholson auftaucht, der nicht nur das diabolisch-ikonische Lächeln seines Vaters Jack Nickolson (Batman, The Shining) geerbt hat, sondern auch seine Figur Ähnlichkeiten zu Filmrollen seines Vaters innehat. Es ist kein Zufall, dass Popstar Skye Riley immer wieder Outfits trägt, die an echte Popstars erinnern. Zum Beispiel an die blondierte Katy Perry (Smile) oder Kylie Minogue (Can’t Get You Out Of My Head). Es ist kein Zufall, dass sie ein T-Shirt der Talking Heads trägt und in den Nachrichten ein altes Foto von ihr gezeigt wird, das in Wahrheit das Artwork von Naomi Scotts erster eigener Platte ist.
Smile 2 ist ein einziges Festival an Easter Eggs, weshalb es sich definitiv lohnt, den Film mehrmals zu schauen. Die meisten dieser Easter Eggs befassen sich inhaltlich immer mit dem Kopf, dem Hirn oder eben mit Lächeln – vom Joker bis zu de Filmpostern, die wiederum Artworks der Talking Heads oder des Films Braindead imitieren. Im Film erscheinen sie dabei allerdings immer smart, nie aufdringlich und immer im Kontext der Geschichte, die Parker Finn erzählen möchte. Das ist eine Liebe zum Detail, die ich sehr schätze und einen Film für mich von Genre-Kollegen abheben, wenn sie denn sinnvoll eingesetzt werden.
Naomi Scott, vor allem bekannt aus eher sanfteren Ecken wie Alladin, Charlie’s Angels oder Power Rangers, spielt sich zudem für diese Rolle die Seele aus dem Leib. Ihre Darstellung der Skye Riley, offenkundig auch von Lady Gagas Umgang mit der eigenen Karriere inspiriert, ist sowohl körperlich als auch mimisch ein neuer Meilenstein ihrer Karriere und trägt maßgeblich zur Intensität und Glaubwürdigkeit des Films bei. Teilweise so drüber und wirr, dass es einige KinogängerInnen stören könnte. Für mich sind das exakt die Ecken und Kanten, die eine ikonische Leistung ausmachen.
Fazit: / 5
Smile 2 schafft, woran so viele Filme scheitern: als Sequel das Original zu übertreffen. Das ist vor allem den mutigen Drehbuchentscheidungen von Finn Parker und der schauspielerischen Leistung von Naomi Scott zu verdanken. Wie schon sein Vorgänger liefert der Film abermals ein Finale, das die Lager spalten wird. Ich kann mich an Setting, Score und Prämisse aber nicht satt sehen. An Scott auch nicht. Aber naja.
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