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der Filmtipp: The Substance (2024)

  • Autorenbild: Michael Scharsig
    Michael Scharsig
  • 19. Sept. 2024
  • 3 Min. Lesezeit

Ich werde Spiegeleier nie wieder mit denselben Augen sehen. Oder den gleichen Augen? Nach The Substance bin ich mir selbst in dieser Frage nicht mehr ganz sicher. Die französische Filmregisseurin und Drehbuchautorin Coralie Fargeat (Revenge, u. a.) fordert auf jeden Fall jede Menge Offenheit, Magenstärke und Akzeptanz gegenüber einem der wohl außergewöhnlichsten Filme des Jahres. Allein das macht ihn für mich schon spannend, auch wenn die hohen Versprechen nur stückweise einhält.


Szene mit Demi Moore in "The Substance"

Worum geht es?

Elisabeth Sparkle, eine ehemals gefeierte Schauspielerin und Moderatorin einer Aerobicshow, steht an ihrem 50. Geburtstag vor dem Aus ihrer Karriere. Nachdem sie von ihrem Programmdirektor (Dennis Quaid, Footloose, Dragonheart, u. a.) gefeuert wird, erleidet sie einen Autounfall und erhält im Krankenhaus einen USB-Stick mit dem geheimnisvollen Serum „The Substance“. Dieses verspricht, eine jüngere Version von sich selbst zu erschaffen, die den Namen Sue annimmt. Allerdings müssen sie im Wochenrhythmus die Plätze tauschen und dürfen dabei eines nicht vergessen: Eigentlich sind sie eins.


Wenn der Instagram-Filter blutet und eitert


The Substance thematisiert die tief verwurzelten Schönheitsideale und den Jugendwahn in der Gesellschaft, insbesondere in Hollywood. Dabei zeigt der Film schonungslos kunstvoll, wie Hauptfigur Elisabeth Sparkle, sehr intensiv gemimt von Demi Moore (Ghost, Eine Frage der Ehre, u. a.), an Selbstzweifeln und Selbsthass zu zerbrechen droht. Eine großartige und beinahe selbst referenzielle Wahl, bedenkt man, dass Moore zu ihrer Peak-Zeit selbst mit Filmen wie Enthüllung, Striptease und Ein Unmoralisches Angebot wusste, ihren Körper einzusetzen. Das dazu passende Element der Botschaft ist Satire. Denn Fargeat nutzt eine extrem überspitzte und groteske Erzählweise, um die Absurdität der Schönheitsstandards zu verdeutlichen. Hier glänzt vor allem Quaid, der seine Figur wie auf Koks herrlich ätzend, überdreht und sexistisch darstellt, unterstützt von hektischen Schnitten. Auch seine Präsenz ist spannend, weil der 70-Jährige selbst den einen oder anderen offensichtlichen Besuch beim Schönheitschirurgen hatte.


Gleichzeitig gesellt sich hier eine handwerklich wundervoll widerliche Portion Body Horror zur Geschichte, weshalb der Film in den Mainstream-Kinos auch wie ein Horrorfilm beworben und innerhalb dieser Time-Slots gezeigt wurde. Durch wahrlich ekelerregende Bilder wird der psychologische Schmerz des Alterns und die gesellschaftliche Gewalt gegen Frauen auf den Bildschirm gesplattert. Auch hier muss ich die Herangehensweise und die Idee dahinter beklatschen. Mein einziger Kritikpunkt hier wäre, dass es nur diejenigen schocken wird, die sich bei The Substance in neues Terrain wagen. Wer The Thing, The Fly oder The Neon Demon kennt, wird das viele Fleisch und das viele Blut einfach zur Notiz nehmen.


Und wo wir gerade von The Neon Demon sprechen: die anderen zwei Elemente, die der Film wählt, um seinen Standpunkt zu platzieren, sind eine sehr drastische Symbolik und eine gewisse visuelle Ästhetik. Die Trennung zwischen Elisabeth und ihrem Alter Ego Sue steht metaphorisch für den inneren Konflikt und die Selbstzerstörung, die durch gesellschaftlichen Druck entstehen. Der Kontrast zwischen dem glamourösen Leben von Sue (Margaret Qualley, Poor Things, Maid, u. a.) und der bitteren Realität von Elisabeth verstärkt die Botschaft über den Preis der Jugend. Hier ist es nahezu passend, dass Qualley scheint, sobald sie in den Fokus rückt. Sie verkörpert quasi die Obsession mit Jugend und Schönheit, indem sie uns, der Gesellschaft, das liefert, was wir sehen wollen.


Szene mit Dennis Quaid in "The Substance"

Irgendwann nur noch eine leere Hülle


Hier kommen wir dann aber auch zu den Kritikpunkten, die ich persönlich leider setzen muss. Die Botschaft ist ernst, giftig gesetzt und lässt sogar eine Art Wut hervorblitzen. Leider ist das alles aber spätestens nach dem ersten Rollentausch völlig offensichtlich und bedarf keiner weiteren Metapher-Rätsel mehr. Heißt, der Film wechselt praktisch von Horror-Satire zu Drama, weil er gar nicht anders kann. Natürlich gibt es auch in der zweiten Hälfte noch Motivationen, die die Figuren antreiben, nur sind diese eben konventionell. Der Versuch, diese Lücke mit wirklich sehr drastischen Bildern zu verschleiern, funktioniert nur bedingt.


Zudem dauert der Film mit seinen zwei Stunden und zwanzig Minuten schlichtweg zu lange. Was hier fehlt, sind die eine oder andere Überraschung. Irgendetwas, was uns aus der Erwartung befreit, die ohnehin erfüllt werden wird. Das ist einfach schade, denn diesen Schlag ins Gesicht, den der Film uns eigentlich verpassen will bzw. dies in der ersten Stunde auch tut, den hätte ich gerne auf eine rasantere Art und Weise dauerhaft empfunden. Hier waren der zugegeben stylische Sound und die ästhetischen Zeitlupen letztendlich nur Lückenfüller.


Fazit:  ⭐⭐⭐ / 5


The Substance lebt von seinen unglaublich gut aufgelegten Darstellern und Darstellerinnen, die keine Angst vor Nacktheit, Body Horror und Statement haben. In seinen besten Momenten wirkt er wie eine Ozempic-Version von Barbie und nicht nur einmal habe ich mich gefragt: Bin ich hier eigentlich Zielgruppe oder Zielscheibe? Und das ist ein Kompliment! Leider altert die Story so schlecht wie Moores Figur, was fehlendem Drive und Mangel an Kreativität gegen Ende geschuldet ist.   

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