Lord of the Lost – OPVS NOIR Vol. 1 (2025)
- Michael Scharsig
- 9. Aug.
- 3 Min. Lesezeit
Die Hamburger Formation Lord Of The Lost ist vieles, aber sicherlich nicht arbeitsfaul. Zugegeben, erst der Eurovision Song Contest warf die Truppe um Sänger Christ Harms auf meinen Bildschirm. Seitdem verfolge ich die unterhaltsame Diskografie der Band aber mit Spannung. Auch, weil mir relativ schnell klar wurde, dass „LOTL“ keine festgefahrene Band ist, die ihren teils düsteren Stil ein bisschen zu ernst nimmt. Im Gegenteil, ihr Humor ist stellenweise sehr sarkastisch (das ist ein Kompliment) und ihre Musik steht auch für Vielfalt und Kreativität. Für meine Review zur neuen Platte muss daher klar sein: Ich habe Lord of the Lost in ihrer vielleicht buntesten Phase kennen- und schätzen gelernt, von ESC bis Blümchen-Feature.

OPVS NOIR Vol. 1 ist nun aber der Auftakt einer vermeintlich dunklen Album-Trilogie (!). Ich dachte eigentlich, dass ein solcher Pfad nach großartigen Alben wie Thornstar oder Judas bewusst verlassen wurde, um sich nicht in eine Ecke schieben zu lassen. Stattdessen feuern die Hamburger nun gleich drei Alben mit jeweils 11 Songs auf den Markt, die genau in diese Nische zurückkehren. Veröffentlicht über Napalm Records, markiert das erste Album einen Turnaround in emotionale Tiefen – weg vom Blood & Glitter-Glanz hin zu mehr Dunkelheit und Melancholie. Mit neuem sechsten Bandmitglied und reihenweise namenhaften Kolleg:innen im Studio.
Damit wir auch gar nicht lange brauchen, um uns an die Atmosphäre zu gewöhnen, ballern uns in den ersten Sekunden gleich epische Chöre und fette Riffs entgegen. Bazaar Bizarre startet mächtig cineastisch mit großartig dramatischen Vocals von Chris Harms. Die Strophen bremsen die Energie leider etwas aus. Mit My Sanctuary folgt eine geradlinige Goth-Rock-Nummer, die definitiv das Zeug zum tanzbaren Ohrwurm besitzt, was angesichts der Stimmung paradox wirkt, bei Lord of the Lost aber schon immer funktioniert hat. Gleichzeitig macht das den Song aber auch zum Fast Food des Albums. Ganz anders: Light Can Only Shine In The Darkness, gemeinsam mit Sängerin Sharon den Adel von Within Temptation.
Hier habe ich das erste Mal das Gefühl exakt zu bekommen, was ich erwartet habe – im positiven Sinne. Sharons Stimme harmoniert mit Harms‘ dunklerer Stimme und der Refrain geht einmal mehr ins Ohr. Balladesk, mit kurzen Scream-Einlagen und Within Temptation-ähnlichen Keyboard-Elementen. Undankbar, nach so einem Track überzeugen zu müssen, so geht I Will Die In It mit seinem modernen Gothic-Metal und Harms‘ rockigerer Röhre etwas unter. Spannender wird es im eindrucksvoll orchestrierten Moonstruck, bei dem nicht nur gegrölt werden darf, sondern auch die Piano-Linien auf und ab stürzen, während die Berliner A-Cappella-Formation Stimmgewalt dem Ganzen den Stempel eines Fantasy-Epos aufdrückt.
Apropos Kollaboration: Auf Damage taucht mit Whiplasher Bernadotte von den schwedischen Deathstars gleich der nächste Kollege auf. Das ganze geht ein bisschen mehr nach vorne, samt Industrial‑Schlagseite. Was auf dem Album bis hierhin wirklich gut gelingt: die Stile der Feature-Artists mit den eigenen Stärken gekonnt zu fusionieren. So auch in Ghosts, auf dem Star Cellistin Tina Guo – dieses Jahr auf dem Wacken Open Air u. a. mit Beyond The Black und Apocalyptica auf der Bühne – glänzt und vor allem den Strophen Tiefe und Melancholie verleiht. In Lords Of Fyre stoße ich dann aber an meine Grenzen. Erstens bin ich wirklich nicht für Folk-Metal zu begeistern, zweitens klingt mir der Refrain zu sehr nach Stadion. Auch wenn ich die Idee, den ESC-Zirkel hier mit einem Feuerschwanz-Feature zu schließen, witzig finde. „Lords“ of „Fyre“, schönes Wortspiel. Hab ich kapiert. Wenigstens nicht Lord of Schwanz.
Zum Glück fängt mich The Things We Do For Love dann aber wieder ein. Die etwas härtere Metal-Ballade steht dem Album gut zu Gesicht. Mir gefällt, wie die Lead-Gitarre hier Teile des Refrains „übernimmt“ und nach dem Chorus ein kurzes Metal-Gewitter über den Hörer hineinbricht. The Sadness In Everything schließt sich daran beinahe wie ein Sequel an, geht allerdings ein bisschen schneller nach vorne und zeigt dank Anna Maria Rose von Tales Of Time noch einmal, wie gut Female Vocals zu den Lords passen. Abgeschlossen wird das Album mit Dreams Are Never Alone, einer düsteren Variante von „Twinkle, Twinkle, Little Star”.
Fazit: ⭐⭐⭐⭐ / 5
Anders als bei anderen düsteren Alben innerhalb der LOTL-Diskografie, überrascht mich hier vor allem die Hitdichte. Wer Songs wie Priest, Lorely oder For They Know Not What To Do feiert (ich), der bekommt hier ein ganzes Buffet serviert. Mit ein, zwei kleinen Ausnahmen ist auf OPVS NOIR Vol. 1 kein „Skipper“ vertreten. Sound und Produktion sind cleaner, satter und kraftvoller denn je. Mir gefällt vor allem das Songwriting. Einen Tipp würde ich am Ende noch geben: Mir sind viele Stärken erst beim zweiten Durchhören aufgefallen und ich bin nun doch gespannt, welche dunklen Überraschungen Lord of the Lost auf beiden anderen Alben präsentieren werden.










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