Nine Inch Nails live in Köln (2025)
- Michael Scharsig
- 21. Juni
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 15. Aug.

Ohne viel vorwegzunehmen: das Konzert von Nine Inch Nails in der Kölner Lanxess Arena wird definitiv in meinen Jahreshighlights der Musik weit oben stehen. Obwohl die Band um Trent Reznor und Atticus Ross bereits so viele Jahre an Geschichte vorweisen kann, war ihr Auftritt am 20. Juni für mich wie eine große Entdeckungsreise. Wo bei anderen Gästen vermutlich die Nostalgie kickte, konnte ich für mich jede Menge Neues erleben.
Das hat vor allem einen Grund und den gebe ich hiermit gerne zu: Obwohl ich mich als großer Liebhaber des 90er Rock bezeichne, bin ich damals nie wirklich mit Nine Inch Nails warm geworden. Klar sind zwei, drei ihrer großen Hits hin und wieder auch mal in meinen mp3-Playern oder Playlists aufgetaucht. Über Closer oder Marsh Of The Pigs hinaus ist ein wirklicher Deep Dive aber immer ausgeblieben. Das hat vor allem damit zu tun, dass meine Ohren lange Zeit einfach offener für geradlinigen Alternative Metal, Nu Metal oder Indie Rock waren.
"NIN? Kenne ich durch David Fincher"
Und doch haben Trent Reznor und Atticus Ross in meinem Leben großen Einfluss auf meine Wahrnehmung von Popkultur genommen. Nur eben nicht über Nine Inch Nails, sondern über ihre Filmmusik. Ins Herz traf mich ihr unglaublich minimalistisch-düsterer Industrial-Sound zu David Finchers Gone Girl. Hier hat es Klick gemacht und ich wurde erst im Nachhinein darauf aufmerksam, dass die beiden auch für die Komposition zu The Social Network und The Girl With The Dragon Tattoo verantwortlich sind – zwei weitere Filme von David Fincher. Mittlerweile sind ihre Soundtracks für mich wie ein Qualitätssiegel für den Kinofilm.
Frisch durch Rock am Ring 2025 euphorisiert, ließ ich mich am Ende von einer Freundin (in Köln als Disco-DJ Jezebel unterwegs, geht hin, es lohnt sich!) überreden, mitzukommen. Schließlich ist Mister Reznor mittlerweile 60 Jahre alt und wer weiß, wie oft wie noch die Gelegenheit haben werden, NIN live zu erleben?! Gesagt getan, ab in den Innenraum, zwischen all die vielen verschiedenen Generationen, die allesamt sehr entspannt und gut gelaunt auf ihre Helden warteten – von den Synthwave-Cyberpunks über die schwarzhaarigen Goths bis hin zu den Grunge-Dads. In der Mitte, zusätzlich zur Hauptbühne, wurden noch zwei weitere Plattformen aufgebaut. Aus guten Gründen: das überaus großartige Vorprogramm!

Als Opener trat kein geringer als Alex Ridha auf, besser bekannt als Boys Noize. Dieser gehört für mich zu den ganz großen elektronischen Musikproduzenten. Das war damals so, als er Elektro-Punk, Indie und Elektro wachrüttelte in Deutschland. Es war so, als er mit Starter, Mayday und +- drei durchweg grandiose Alben veröffentlichte und es war so, als er sich dem schnelleren Techno zuwandte. Ihn als Opener zu installieren, machte total Sinn, da er den gesamten Soundtrack der Nine Inch Nails zu Luca Guadagninos Film Challengers in Perfektion remixte. Noch schöner war für mich, dass er sich musikalisch an NIN anpasste und eher Album-Klassiker wie Closer oder Girl Crush spielte, anstelle seiner zeitgemäßen Club-Hits.
Noch gelungener war aber das Auslassen einer weiteren Pause. Vielmehr spielte Boys Noize sein düsteres Set in den Auftritt der Band „hinein“. Diese tauchte plötzlich auf der mittleren Plattform auf – mit wunderschönen Piano-Einlagen zu Right Where It Belongs, Ruiner und The Fragile. Abgesehen von Reznors großartiger Stimme, war bereits zu diesem Zeitpunkt klar: Hier wird eine magische Stimmung erschaffen. Anschließend ging es dann auf die Hauptbühne, von der aus dann zum ersten Mal auch sechs bis sieben Rock und Industrial-Banger auf die Menge abgefeuert wurden. Darunter Reptile, Wish, Marsh Of The Pigs und Eraser.
Ein audiovisuelles und immersives Brett für alle Sinne
Bevor wir weiter über Musik sprechen, muss ich allerdings ein paar Worte zu Bühne verlieren – eine äußerst eindrucksvolle Vorhang-Bühne, die maßgeblich zur Atmosphäre der Show beigetragen hat. Das Bühnenbild bestand aus mehreren transluzenten Vorhängen und halbtransparenten Stoffbahnen, die an allen vier Seiten die Hauptbühne und die zweite Stage umgaben.
Diese Vorhänge dienten nicht nur als Raumteiler, sondern wurden während der Show zur Leinwand für aufwendige 3D-Projektionen und Videoeffekte genutzt. Und die sehen einfach spektakulär aus. Durch die Projektionen entstanden Illusionen von Regen, bewegten Silhouetten und anderen immersiven Effekten, wobei die Projektionen sowohl mit Liveaufnahmen der Band als auch mit abstrakten Visuals arbeiten. Wer mich kennt weiß: mit solchen Spielereien kriegt man mich.
Gedenken an Bowie und Wut auf das Heimatland
Im dritten Akt ging es für Reznor und Ross noch einmal auf die mittlere Bühne, wo zu meiner Freude noch einmal Boys Noize auf sie wartete und für drei Songs Teil der Kombo wurde. Nicht nur spielte er drei eigene Remixe der Songs Vessel, Only und Came Back Haunted – die Band spielte mit ihm. Ohne davon zu wissen hatten wir uns an einem der besten Aussichtspunkte für diesen Teil des Konzertes begeben.
Für den Endspurt ging es dann noch einmal auf die Hauptbühne, wo Reznor in Anlehnung an seiner Freundschaft zu David Bowie und seiner Abneigung gegenüber Donald Trump den Bowie-Song I’m Afraid Of Americans spielte und natürlich mit dem beliebten NIN-Klassiker Hurt abschloss. Durchweg hochprofessionell initiiert, atmosphärisch und immersiv: ich habe keine Ahnung, was ich erwartet habe, aber ich alles und mehr bekommen!










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