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Warum ich Spotify verlassen habe

  • Autorenbild: Michael Scharsig
    Michael Scharsig
  • 9. Okt.
  • 4 Min. Lesezeit

Vor einigen Wochen habe ich über meine Social-Media-Kanäle nach möglichen Tools gefragt, mit denen ich meine Playlists von Spotify auf eine andere Plattform übertragen kann. Die Wahl fiel auf TuneMyMusic.com. Die neue Musik-App, für die mich entschieden habe, ist Tidal. In diesem Artikel geht es allerdings nicht darum, Werbung für diese beiden Plattformen zu machen. Eine Aussage, die ich sofort revidiere, sollten die beiden mir Geld bieten (ruft an!). Hier geht es vor allem um eine Frage.


Blurry-Effekt auf Foto mit Spotify-Logo

Warum verlasse ich Spotify?


Da ich bekanntlich ein riesiger Musik-Nerd bin, der sich je nach Stimmung, Wetter und Stand der Sterne in den unterschiedlichsten Genres verlieren kann, hat der Prozess bei mir jetzt fast einen Monat gedauert. Es hätte auch deutlich kürzer laufen können, aber TuneMyMusic.com bietet nur eine begrenzte Anzahl an Songs an, die ich pro Tag zu Tidal holen konnte. Arbeit, Privatleben und Co. haben den Rest erledigt. Es hat mich überrascht, auf wie viel Interesse mein Abschied von Spotify stieß. Da mich viele Fragen erreicht haben, möchte ich das hier einmal ausführlich niederschreiben.

Spotify ist Gift für Kunstschaffende

Das formuliere ich bewusst scharf. Seit April 2024 zahlt der Streaming-Dienst für einen Track nur noch, wenn er in den letzten 12 Monaten mindestens 1.000 Streams erreicht hat (plus eine nicht genannte Mindestzahl an Hörer:innen). Das trifft vor allem Nischen- und Newcomer-Acts – also genau die, die Unterstützung nötig hätten. Wer diese Sichtweise nicht teilt, wirft gerne in den Ring, dass solche Apps perfekt zum „Entdecken“ neuer Musik seien. Sind sie aber nicht oder zumindest nicht, wenn Du nicht richtig viel Aufwand betreibst.  

Spotify gaukelt freies Entdecken vor

Die von Spotify selbst gestützten Playlists sind nämlich keineswegs auf Dein reines Hörverhalten abgestimmt. Künstler:innen, die ihre Songs im Algorithmus pushen möchten, akzeptieren bei Spotify einen niedrigeren Auszahlungs-Satz. Selbst der verdammte US-Kongress hält das für fragwürdig. In öffentlichen Medien wird von Abschlägen bis zu 30 % für promotete Tite berichtet. Mit anderen Worten: Du entdeckst nicht wirklich. Dir wird vorgegeben, wen Du entdeckst. Und das sind diejenigen, die dafür zahlen. Und das – Überraschung – sind meist die, die bereits Geld haben.

Spotify beutet Songwriter:innen aus

Apropos USA: Spotify hat 2024 in den USA sein Premium-Abo so umgestaltet, dass es offiziell als „Bundle“ aus Musik und Hörbüchern gilt. Diese Klassifizierung wirkt sich auf die Vergütungen aus, die Songwriter:innen und Verlage für Streams erhalten. Laut US-Urheberrechtsregelung gelten bei Bundles niedrigere Lizenzsätze, da der Musikanteil als Teil eines kombinierten Angebots gewertet wird – nicht mehr als eigenständiges Produkt. Die Mechanical Licensing Collective (MLC), die diese Zahlungen verwaltet, sah darin eine gezielte Strategie Spotifys, um Lizenzkosten zu senken, und reichte Klage ein. Ein Gericht entschied im Januar 2025 allerdings zugunsten Spotifys, was juristisch zwar als korrekt, aber politisch und moralisch höchst fragwürdig bleibt.


Collage von Joe Rogan und Daniel Ek

Rechte Influencer und Rüstungsindustrie

Spotifys milliardenschwere Partnerschaft mit dem rechtskonservativen Podcaster Joe Rogan steht seit Jahren für Debatten um Desinformation. Er ist der größte Podcaster weltweit und verbreitet ungebremst kompletten Schwachsinn. Mister „Impfungen gegen Covid-19 sind Gen-Therapien“ und „Zu glauben Juden seien nicht an Geld interessiert, ist beknackt“ konnte 2024 wurde seinen Multiyear-Deal erneuern (mit breiterer Distribution). Gleichzeitig ist Spotify-Gründer Daniel Ek auch Co-Chairman der Defence-AI-Firma Helsing und investierte über seine Beteiligungsgesellschaft Prima Materia massiv in das Unternehmen. Im Juni 2025 führte Prima Materia eine Finanzierungsrunde über 600 Mio. € an; mit an Bord u. a. der Rüstungskonzern Saab als strategischer Partner. Helsing baut KI-Software für militärische Systeme und expandiert u. a. in Drohnen, Flugzeuge und U-Boote. Der Herr verdient also ganz gut, wenn irgendwo Krieg herrscht.

Kein Stopp für Deepfakes, Spam-Flut und KI-Müll

Spotify feiert sich dafür, in den letzten 12 Monaten 75 Mio. „spammy“ Tracks aus dem Katalog entfernt zu haben. Viele davon KI-Müll, Duplikate oder Fake-Uploads, die das Empfehlungssystem verstopfen und Tantiemen verzerren. Das ist fast so viel wie der ganze übrige Katalog. Fun Fact: Man hat lange behauptet, der Mist existiere gar nicht auf der App. Qualitätskontrolle? Jein. Spotify verschärft zwar die Regeln gegen Stimm-Deepfakes und führt Kennzeichnungen via DDEX ein (KI-Einsatz soll in den Credits sichtbar werden) – aber KI-Musik wird nicht grundsätzlich verbannt. Stattdessen wird experimentiert, mit KI-Features wie „AI DJ“ und Voice-Translation (Podcasts in anderer Sprache, gleiche Stimme). Hier sind andere Apps zum Glück viel konsequenter und moralischer.

Spotify-Qualität ist maximal Regionalliga

2025 hat Spotify in Deutschland die Premium-Preise erneut angezogen (für Neuabschlüsse ab 14. August, für Bestandskunden nach Übergangsfrist). Parallel kommt „Lossless“ zwar endlich offiziell, aber „nur“ bis 24-bit/44,1 kHz. Zum Vergleich: Tidal streamt HiRes-FLAC bis 24-bit/192 kHz – sowie Dolby Atmos. Auf gut Deutsch: Wer bei Spotify ein Premium-Abo bezahlt, bekommt vieles, aber kein Premium.

Fazit:

Niemals war Haltung wichtiger als in den Zeiten, in denen wir aktuell leben. Das muss auch in unserem Alltag gelebt werden. Ich habe trotzdem einzig und allein für mich entschieden. Es reicht. Wer Musiker:innen unfair vergütet, Popularität und Hörverhalten gegen Geld manipuliert, KI weiterhin Kunst schänden lässt, rechte Fakes News über Podcast-Reichweite streut und durch Hintertürchen an Krieg und Waffen verdient – der verdient zumindest nicht mehr mein Geld. Meine Wahl fiel auf Tidal – aufgrund „natürlicherer“ Algorithmen, stärkerer Qualität und gigantischer DJ-Kataloge. Es gibt aber viele weitere Optionen, wie z. B. YouTube Music, Deezer, Qobuz, Bandcamp oder Soundcloud.

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